Winter ist eine diskriminierte Jahreszeit. Die meisten Leute sprechen schon im Herbst oder spätestens nach Weihnachten davon, wie sehr sie sich auf den Frühling und den Sommer freuen. Besonders in der heutigen Zeit, da Schnee fast nur noch in den Bergen zu finden ist und das Flachland oft tagelang unter einer Hochnebeldecke liegt, man die Sonne nur noch aus der Erinnerung kennt und Niederschlag in Form von Regen oder bestenfalls Schneematsch fällt.
Auch ich vermisse es manchmal, in der warmen Sonne zwischen bunten Blumen durchzufliegen oder den Abend in der Sonne auf dem Balkon zu verbringen. Trotzdem finde ich, dass dem Winter mehr Anerkennung gebührt, als er erhält.
Warum ist der Winter so unbeliebt?
Was macht denn den Winter so unbeliebt? Es ist kalt, oft nass (regennass, nicht schneenass) und bedeckt. Die Tage sind kurz und dunkel. Alles wirkt sehr grau-braun, selbst die im Sommer grüne Wiese, der Rosenstrauch und der blau leuchtende See – im Winter ist die Wiese braun-grün, der Rosenstrauch braun und kahl und der See grau mit Blaustich. Im immer seltener eintretenden Glücksfall liegt Schnee und die Sonne scheint vom klaren Himmel, doch auch dann ist es eher kalt und in der Stadt wechselt die Farbe des Schnees schnell von weiss zu dreckgrau.
Die positiven Seiten des Winters
Genau das ist es aber, was den Wert des Winters ausmacht. Durch diese Unannehmlichkeiten wird uns Jahr für Jahr bewusst, wie angenehm die anderen Jahreszeiten sind. Nur, weil es im Winter kalt und grau ist, können wir die zarten Sonnenstrahlen im Frühling, die spriessenden Blumen und das Summen der ersten Insekten so sehr geniessen. Wäre es immer frühlingshaft, hätte das alles in unserer Empfindung viel weniger Wert. Nur, weil wir wissen, dass es bald kälter und dunkler wird, schätzen wir das goldene Licht und die letzte Wärme der schon schwächer werdenden Sonne im Herbst.
Durch den Wechsel der Jahreszeiten, den immer wiederkehrenden Schlaf der Welt, wissen wir das Licht, die Farben und die Wärme der anderen Jahreszeiten zu schätzen.
Auch können wir uns während des Winters anderen Seiten unseres Seins widmen, die sonst wahrscheinlich zu kurz kämen. Winter ist die Zeit, da wir uns zurückziehen und einkuscheln wollen. Die (Lust auf) Aktivität ist reduziert, was evolutionsbiologisch absolut Sinn macht (Energie sparen). Ich finde nicht, dass wir uns zuhause einsperren sollten, aber es kann schön sein, sich Zeit zu nehmen für ein Bad und Körperpflege oder es sich mit einer warmen Tasse Tee auf dem Sofa gemütlich zu machen und ein spannendes Buch zu lesen. Es wird auch mehr Zeit mit der Familie verbracht, sicherlich auch wegen den Feiertagen, die bei uns in die Winterzeit fallen.
Vorhaben werden umgesetzt, die in Zeiten von Wander-, Bade- und Sportausflügen, Grillabenden und Strandferien liegenbleiben.
Winter gibt uns Zeit, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen, zu reflektieren, was wir wollen, was uns wichtig ist und wie wir das erreichen möchten. Das können wir dann umsetzen, sobald die Tage wieder länger werden, die Temperaturen steigen und die Wiesen und Bäume in bunter Blütenpracht erstrahlen und wir einen Schub an frischer Energie erfahren.
Ehrlich gesagt ist schliesslich Winter auch deshalb eigentlich gar nicht so schlimm, weil wir uns ja warm und wasserdicht anziehen und die Wohnung heizen können. Gehen wir raus ans Tageslicht, vielleicht sogar in die Berge in den Schnee und die Sonne, können wir auch im Winter aktiv bleiben. Das hebt die Stimmung und lässt den Winter gar nicht so lang erscheinen.
Freue dich also, dass wir in unseren Breitengraden Jahreszeiten kennen. Das bringt Abwechslung und fördert die Dankbarkeit für die «angenehmeren» Jahreszeiten. Und schliesslich kannst du ja auch die Tage im Winter so gestalten, dass du aktiv bleibst, Tageslicht siehst und Seiten von dir ausleben kannst, die im Sommer wahrscheinlich untergehen!
2 Replies to “Wie Winter wahre Wunder wirkt”
Liebe Nella, es ist gut, diese Dinge wieder einmal gesagt zu bekommen! So, wie du es sagst, stimmt die Sicht auf den Winter natürlich und er erscheint gar nicht mal mehr so schlimm…
Danke!!
Liebe Nella, vielen Dank für den schönen Text und die neuen Blickwinkel auf den Winter!
Auch ich bin jemand, die viel lieber warme Sonnenstrahlen auf der Haut spürt und Kälte nicht wirklich gerne hat. Trotzdem finde ich, wie du, den Winter wichtig. Wie du schreibst, nutze ich den Winter, um mein Leben zu reflektieren, mir zu überlegen in welche Richtung ich künftig gehen will und neue Projekte zu entwerfen, die ich dann im Frühling, sobald es wärmer wird, umsetzen kann. Da spielt die Vorfreude eine grosse Rolle, und die Vorfreude ist ja “die beste Freude”. Gäbe es der Winter nicht, würde ich mich vermutlich in meinen Vorhaben viel zu sehr verzetteln und keine Zeit haben, um meine Richtung wieder zu justieren. Darum: lernen wir doch den Winter wieder mehr schätzen!