Minimalismus

Der durchschnittliche Schweizer besitzt 10’000 Dinge. 

Klingt nicht nach besonders viel? Dann stelle dir vor, dass du deinen gesamten materiellen Besitz verlierst und du dir alles neu kaufen musst. Dazu kaufst du dir jeden Tag einen der Gegenstände neu. Wahrscheinlich beginnst du mit einer Unterhose, dann T-Shirt, Hose, Socken. Als nächstes ist vielleicht das Bett dran, dann ein Duschgel und eine Zahnbürste. Irgendwann hast du die ganz wichtigen Dinge wieder eingekauft und es geht weiter mit einem Zeichenblock, Büroklammern, einem Paar Inlineskates, mit hübschen Tassen, Blumenvasen, Couchtisch. Und weil es darum geht, wirklich JEDEN deiner verlorenen Gegenstände zu ersetzen, kaufst du auch zehn Rollen Geschenkpapier (aber pro Tag nur eine), drei identische Haarbürsten, 30 Paar Schuhe, 50 Kerzen, sieben Notizblöcke, zwei Sets Geschirr, nochmals einen Couchtisch, Souvenirs aus etlichen besuchten Ländern, Magnete, Nippes, reihenweise spannende, weniger spannende und richtig schlechte Bücher, Plüschtiere, Schlüsselanhänger, Kleiderbügel usw. 

Und nun kommt’s: Du wirst mehr als 27 Jahre lang mit der Wiederbeschaffung deines materiellen Besitzes verbringen. Siebenundzwanzig Jahre! Jetzt klingt’s nach viel, oder etwa nicht?

Braucht es das alles?

Das Lustige ist, wenn du dich tatsächlich in der Situation befändest, dass du allen Besitz verloren hättest, würdest du sicher nicht alles ersetzen. Klar, es müssten sofort eine Zahnbürste, einige Kleidungsstücke, ein Bett und vielleicht ein Stuhl und ein Tisch her. Einige Büroartikel und Zubehör, das du zur Ausübung deiner Hobbies brauchst. Aber wenn wir ehrlich sind, ist das wenig. Hast du nicht auch schon die Erfahrung gemacht, dass du mehrere Wochen oder Monate mit einem Koffer oder sogar nur einem Rucksack auf Reisen warst und nichts wirklich vermisst hast (ausser deinem eigenen Bett)?!

Wir brauchen keine zehn Rollen Geschenkpapier, eine Haarbürste reicht, ebenso ein Set Geschirr, und schlechte Bücher mögen wir auch keine lesen, wo es doch noch genug spannende gibt. 

Warum haben wir so viel Unnötiges?

Warum besitzen wir also dennoch so viel unnötigen Kram? Grob gesagt würde ich zwei Gründe angeben: 

Weil erstens das Zeug irgendwie unkontrolliert zu uns kommt und es zweitens nicht wieder geht.

Die genauen Umstände sind natürlich vielschichtig und individuell. Ich denke aber, dass auf die meisten Leute etwa folgendes zutrifft. Viele der Gegenstände waren Lustkäufe, Impulskäufe oder «Belohnungen». Bei Doppeltem konnte man sich vielleicht nicht mehr erinnern, dass man schon eines davon hat (was nur dafür spricht, sich etwas Übersicht über seinen Besitz zu verschaffen). Einige Dinge sind Geschenke und bei wieder anderen hat man sich von der Werbung oder vom geschickten Verkäufer von der Nützlichkeit überzeugen lassen.

Es gibt dann aber auch Gegenstände, die mal wirklich nützlich und geliebt waren. Damals, vor zehn, zwanzig Jahren. Sie gehören einfach zu einem, waren schon immer da, haben ihren Platz in der Wohnung und sind bei jedem Umzug mitgekommen. Doch was damals nützlich war muss es jetzt nicht mehr unbedingt sein. Die Plüschtiere und Spielsachen aus der Kindheit, das Set Champagnergläser aus der Zeit, als du noch Cocktailparties bei dir Zuhause organisiert hast. Und vieles, das mal schön war, ist heute einfach nur noch altmodisch. Die altrosa Spitzen-Tischdecke oder der teure Wintermantel aus dem letzten Jahrhundert haben ihren Zenit überschritten, da ändert es auch nichts, dass der Mantel teuer war.

Geht es auch mit weniger?

Nun gibt es Leute, die leben mit weniger als 100 Besitztümern. Das ist Minimalismus extrem und muss und kann nicht unbedingt das Ziel sein. Wie wäre es aber, wenn du dir mal überlegst, dich von Unnötigem zu befreien? Schau dich mal um, nimm die Dinge in die Hand und frage dich bewusst und achtsam, ob es dich erfreut, dass du diese Dinge dein Eigen nennst.

Welche deiner acht Tischdecken magst du wirklich und benutzt du auch? Alle anderen haben ihren Dienst getan und können gehen. 

In welchen deiner Hosen fühlst du dich wohl? Spende den Rest, denn du bist es Wert, nur solche Hosen zu tragen, in denen du dich gut fühlst. Wenn du aber die anderen Hosen nicht trägst, dann ist es auch unnötig, dass sie im Schrank Platz wegnehmen.

Magst du die geschenkten Duschgels wirklich oder findest du den Geruch eklig? Dann weg damit, du schuldest dem Schenkenden nicht, dass du sein Geschenk mit Widerwillen aufbewahrst.

Behalte nur, was du wirklich magst und was ein gutes Gefühl in dir auslöst. Ausreden wie «Das kann ich vielleicht mal noch gebrauchen», «Das hat mir XY geschenkt», «Das war teuer» oder «Das erinnert mich an Z» zählen nicht, wenn es kein gutes Gefühl auslöst.

Wenn du Überflüssiges entsorgt hast und wieder besseren Überblick über deine Sachen hast, weisst du, was du schon hast und kaufst keine Doppel. Wichtig ist nun aber, den entstandenen Platz nicht wieder zu füllen! Auch im Geschäft können dieselben Überlegungen wie oben Sinn machen: Gefällt mir das wirklich, fühle ich mich gut darin, brauche ich es tatsächlich oder habe ich schon etwas Ähnliches? Reicht es, wenn ich mich einfach jetzt im Laden am Anblick erfreue? Ist es nützlich oder wird es nur rumstehen? Ist die Qualität so gut, dass es auch wirklich funktioniert und ich es gerne benutze oder ist es bald kaputt und steht dann wieder nur einfach rum?

Was ist der Vorteil eines minimalistischen Lebensstils?

Wenn du unnötige und belastende Dinge loswirst und keine neue solche Dinge mehr anschaffst, gibt es plötzlich Platz. Du wirst dich befreit fühlen und glücklicher, weil dich die Dinge, die dich umgeben, glücklich machen. Und du hast dir Gedanken gemacht, was du eigentlich magst und was nicht. Gedanken darüber, wer du bist und wie du leben willst. Du bist achtsamer geworden. Du bist mehr dich selbst geworden und hast den Mut, auch genau das zu sein – dich.

Das ist es, was für mich ein minimalistischer Lebensstil ausmacht und weshalb ich ein grosser Fan bin davon. Minimalismus befreit und führt dich zu dir!

Minimalismus befreit und führt dich zu dir

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